Mein Leben in der Nähe von Windrädern

Ich wohne in unmittelbarer Nähe zum im Jahr 2018 fertiggestellten Windpark Scharmbeck. Dort drehen sich sieben Windenergieanlagen (Typ Nordex N131/3300) mit einer Leistung von je 3,3 MW und einem Rotordurchmesser von 131 Metern. Mit einer Nabenhöhe von 134 Metern gehören sie bisher zu den höchsten Windenergieanlagen im Landkreis Harburg.

Wir haben unseren landwirtschaftlichen Betrieb am Ortsrand im Außenbereich. Vor 2018 standen schon von uns aus Richtung Westen drei kleinere Anlagen in der Nähe der Autobahn. Von diesen Windrädern, die allesamt etwa 1,7 km von uns entfernt sind und deren Bau wir kaum mitbekommen hatten, hörten wir niemals etwas. Sie standen dort still und leise und produzierten Strom. Ich fand sie nicht hässlich und sie störten mich nicht. Ich dachte: Wie großartig doch Strom produziert werden kann! Mein Standpunkt damals: Windräder sehen für mich viel friedlicher aus als Atomkraftwerke. Weiter ging mein Horizont nicht. Dass weit über 1000 Windkraftanlagen nötig sind, um ein AKW zu ersetzen – darüber hatte ich genauso wenig nachgedacht, wie über all die negativen Auswirkungen wie Luftverwirbelungen, Austrocknung der Böden, Bodenverdichtung, Lärmbelästigung, Gefahr für Vögel und Insekten, Materialabrieb, Entsorgung sowie die unstete Energie durch Wind, der nicht immer gleichmäßig liefert. Mir war nicht mal klar, dass es diese negativen Auswirkungen gibt. Ich war unglaublich naiv.
Als es dann hieß, es kommen 5 weitere Windräder in unsere Wiesen – zwei weitere wurden später ‚drangehängt‘ –, dachte ich lediglich: Irgendwo müssen sie ja hin, wenn wir keine Atomkraftwerke mehr haben wollen. Die drei bestehenden störten mich ja nicht im Geringsten. Die neuen 7 Anlagen sollten zwischen uns und den bestehenden Windrädern gebaut werden. 8 weitere Richtung Osten hinter unserem Wald auf einer Anhöhe – von uns aus etwa 2,5 km entfernt.

Was wäre ich heute froh, wenn mir jemand vor dem Bau dieser Monster die Augen geöffnet hätte. Ich hätte gekämpft. Jetzt wohnen wir in unmittelbarer Nähe vom Windpark Scharmbeck. 4 Anlagen sind etwa einen Kilometer entfernt, die anderen 3 knapp 1,5 km.
Beim Bau war ich erstmals schockiert, wie viel Natur zerstört wurde. Es wurden große Knicks gerodet und uralte Eichen gefällt, Böden verdichtet. Und dann kam der Bau, der zugegebenermaßen von Zeit zu Zeit sogar recht spannend war, beispielsweise als die riesigen Flügel mit Sondertransporten nachts geliefert wurden. Sie wurden am Ortsrand über unseren Acker gezogen. Der wurde dafür extra mit enormen Erdbewegungen und Bodenaustausch aufwendig befahrbar gemacht, weil die Kurve sonst nicht zu bekommen worden wäre. Davor aber schon wuchsen und wuchsen die Türme.

Und erstmals bekam ich eine Ahnung, dass ich mich habe einlullen lassen. Denn die wurden viel höher, als ich dachte… Für mich damals unfassbar hoch! Solche Anlagen hatte ich noch nie bewusst wahrgenommen. Zu dem Zeitpunkt war meine größte Sorge noch der Schattenschlag. Und ich versuchte zu berechnen, wo und wann dieser bei der Höhe uns wohl tangieren würde. Ich ging da aber noch von wesentlich kleineren Rotorblättern aus. Der Schlagschatten ist mir heute herzlich egal – er ist meine geringste Sorge! Er fällt zwar im Herbst und im Sommer morgens auf unseren Hof und unser Haus, doch das ist für uns nicht weiter störend, da unsere Wohnräume nach Westen liegen und der Spuk nach etwa einer Stunde wieder vorbei ist, wenn die Sonne höher und weiter Richtung Süden gezogen ist.

Ich wusste gar nicht, wann genau die Anlagen in Betrieb genommen werden sollten. Eines Tages nahm ich ein Rauschen wahr, wie ein Flugzeug, dass oben am Himmel über uns hinweg fliegt. Ein vertrautes Geräusch. Was mich irritierte, war, dass dieses Geräusch aber einfach nicht endete! Ich ging aus dem Haus und da wurde mir bewusst, woher dieses Rauschen kam. Es ist mal mehr, mal weniger laut – und fast immer da. Und unser „Glück“ ist sicher, dass der Windpark östlich von uns liegt, also nicht in der Hauptwindrichtung vor unserem Hof. Wenn es im Herbst und Winter windiger ist und der Wind entsprechend steht, ist es fast ohrenbetäubend und unendlich nervig. Dann ist auch der leiernde Schlag der Rotoren zwischen dem Tosen des Windes deutlich zu hören. Das Pfeifen selbst, welches man direkt unter dem Windrad hört, dringt glücklicherweise nur selten bis zu uns.

Das höre ich allerdings, wenn ich oben im Wald unterwegs bin, oft laut und deutlich. Ich liebe Waldbaden. Wenn der Wind geht, ist es dort nun nicht mehr friedlich. Das Rauschen der Windräder einschließlich dieses Pfeifens trübt mein Waldbad doch sehr und da der Wind oft von Westen kommt, ist es nur selten still. Ebenso gehe ich nicht mehr gerne in unseren Wiesen spazieren, vor allem nicht im Herbst und im Winter, wenn es windig ist. Im Sommer, wenn die Sonne scheint, kann man los. Denn dann stehen die Windräder sehr oft still – selbst bei einer frischen Sommerbrise – dann sind sie offensichtlich abgeschaltet. Wahrscheinlich, weil die PV-Anlagen ordentlich Strom liefern und wenig verbraucht wird. Was mir dann die weiteren Folgen der Stromversorgung durch Windkrafträder und PV-Anlagen auf Äckern eindrucksvoll vor Augen führt.
Interessant finde ich die Schilder an den Wirtschaftswegen in der Nähe der Windräder: Vorsicht, Eisschlag! steht darauf. An zwei Stellen stehen sie auf dem Weg, den die Scharmbecker Kinder nutzen, um mit dem Rad zur Schule nach Roydorf zu fahren. Ich frage mich immer, wie man da vorsichtig sein kann – außer den Weg bei Temperaturen unter einem Grad Celsius zu meiden?
Was aber das Allerschlimmste an den Windkraftanlagen für mich ist, ist ein ganz unterschwelliges Brummen, welches ich höre, wenn ich im Bett liege. Im Alltag bei der Arbeit im Haus nehme ich es nicht wahr. Nachts ist es aber einfach immer da. Gegen das Flügelrauschen der Rotoren bei starkem Wind hilft mir beim Schlafen Ohropax. Gegen dieses tiefe an- und abschwellende Leiern jedoch bringt auch Ohropax nichts – dieses Geräusch ist nervend in mir!
Wenn starker Wind ist, wird es immerhin vom Rauschen draußen übertönt. Anfangs bin ich im Haus rumgelaufen und habe versucht zu ergründen, wo dieser Ton herkommt. Ob irgendeine Anlage bei uns im Haus das auslöst – Kühlschrank, Heizungsanlage oder sonst was. Irgendwann bin ich auf die Windräder gekommen. Und es war schrecklich, zu erfassen, dass ich nichts, aber auch gar nichts mehr dagegen unternehmen kann. Die Dinger stehen dort und ich muss damit klarkommen. Dabei kommt allerdings auch die Frage auf: Wie nehmen es eigentlich die Tiere wahr, die doch meist eine so viel bessere Wahrnehmung als die Menschen haben?


Nun könnte man meinen, ich bilde mir das unterschwellige Leiern vielleicht auch ein, denn ich bin die einzige bei uns im Haus, die es wahrnimmt. Allerdings berichten auch andere Bewohner unseres Ortes davon, die sogar noch weiter von den Windrädern entfernt wohnen. Auch dort hören es nicht alle. Aber die, die es hören, beschreiben es so, wie ich es wahrnehme – ich bin also nicht paranoid. Zumal ich ja auch gar keine negative Einstellung gegenüber der Windkraftanlagen hatte.
Da wir durch unseren landwirtschaftlichen Betrieb an den Ort gebunden sind, kann ich auch nicht einfach wegziehen – ich muss mich damit arrangieren. Würde ich, aus welchem Grund auch immer, mir mal woanders einen Platz zum Wohnen suchen, dann an einem Ort fernab jeglicher Windkraftanlagen! Mittlerweile schlafe ich bei uns im Haus in einem anderen Zimmer. Hier höre ich das Leiern auch, es ist aber nicht ganz so intensiv. Oder ich habe mich daran gewöhnt. Ich versuche auch, nicht so viel drüber nachzudenken. Trotzdem habe ich dann irgendwann mal im Internet zu diesem Brummen geforscht. Ich nehme an, dass es der Infraschall hervorruft, den Menschen gar nicht hören können, der aber der möglicherweise durch die Resonanz im Gebäude für manche wahrnehmbar wird. Leider ist es bei mir der Fall.
Etwas, was ich auch noch sehr beunruhigend finde, ist eine Studie, die wohl belegen soll, dass der Abrieb von den Rotorblättern in Form von Glas-, Carbon- und anderen Fasern enorm ist und diese feinen Partikel stetig in unsere Umwelt gelangen. Unsere Kühe weiden unter den Windrädern und es ist nicht unrealistisch, dass sie Mikropartikel des Abriebs aufnehmen und diese so in den Nahrungskreislauf gelangen. Und was macht diese Kontamination auf Dauer mit unseren Ackerböden, auf denen unsere Nahrungsmittel wachsen?

Eine weitere Wahrnehmung: Früher kreisten immer die Milane über unseren Hof und unsere Wiesen – jetzt sind sie nicht mehr da.
Und meine Gesundheit? Nachdem ich früher eher einen zu niedrigen Blutdruck hatte, leide ich seit ein paar Jahren an Bluthochdruck, dessen Ursache für Ärzte nicht zu finden ist – ich rauche nicht, machte regelmäßig Sport, bin schlank, esse gesund und trinke nur selten Alkohol. Ob es am Infraschall liegt? Das wird kaum zu beweisen sein. Aber der Verdacht bleibt.
Heute bin ich jedenfalls kuriert – ich halte Windkraftanlagen für gefährlich für Umwelt, Natur und Gesundheit. Heute würde ich gegen solche Pläne kämpfen. Ich wäre sehr froh gewesen, wenn mir damals jemand rechtzeitig die Augen geöffnet hätte!

Britta Benecke, Scharmbeck